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Werbefreier Genuss mit Google Contributor und Co: Der verzweifelte Versuch, einen besser AdBlocker zu lancieren

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Bezahlschranken und Werbefinanzierung sind bei Lesern unbeliebt und für Online-Magazine selten lukrativ. Eine alte Idee, die Google mit Contributor gerade aufgreift, soll die Lösung sein. Doch Leser mit Werbung derart zu nerven, dass sie lieber freiwillig zahlen, kann nicht die Antwort auf das grassierende Finanzierungsproblem sein.

Google Contributor

Google Contributor

Schonst du meine Nerven, dann gebe ich dir Geld dafür: Das ist ein Kundenwunsch, mit dem Google in den USA mit dem neuen Dienst Contributor an den Start gegangen ist. Für ein bis drei Dollar im Monat blendet Google auf teilnehmenden Seiten wie Mashable.com, ScienceDaily und The Onion die Werbung aus und statt dessen eine Dankesmeldung ein. Auf mobilen Seiten soll die Werbung ganz verschwinden. Erste Beobachter sehen in Contributor eine Art Mischung aus einem freundlichen AdBlocker und dem freiwilligen Spendendienst Flattr. Inhalte-Anbieter wittern bereits Morgenluft: endliche eine vernünftige Einnahmeform abseits der unbeliebten Display-Werbung?

Die Idee ist nicht ganz neu, und auch wenn sie auf den ersten Blick einen fairen Eindruck hinterlässt, wird schnell klar, dass hier auch nur gerettet werden soll, was kaum noch zu retten ist. In der Vergangenheit haben ähnliche Versuche meist nur mit Zwang funktioniert und sich gegenüber Freemium-Modellen als die unbeliebtere Lösung herausgestellt.

Wer seine Nerven schonen will, zahlt lieber

Das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Deutschland etwa ist eine vergleichbare Zwangslösung. Ob das Programm nun besser ist als bei den Privatsendern, darüber wird seit Jahrzehnten vortrefflich gestritten. Der Vorteil für die Zuschauer zumindest: Ihr Programm wird in den öffentlich-rechtlichen Sendern weniger oft von störender Werbung unterbrochen, abends gar nicht mehr.

Wenigstens freiwillig ist die werbefinanzierte Nutzung von Musikflatrates wie Spotify oder Deezer. Die Hoffnung der Anbieter ist hier, Neukunden zu fangen, denen die ständige Werbeunterbrechung und die eingeschränkte Funktionalität nach einiger Zeit auf den Geist gehen. So sehr, dass sie die knapp zehn Euro im Monat für einen werbefreien Zugang schon irgendwann zahlen.

Spotify-Werbung für das kostenpflichtige Modell: Die genannten "Grenzen" setzen wirtschaftliche Zwänge und das Unternehmen selbst.

Spotify-Werbung für das kostenpflichtige Modell: Die genannten “Grenzen” setzen wirtschaftliche Zwänge und das Unternehmen selbst.

Berichte über eine werbefinanzierte und kostenlose Alternative zum Videodienst Prime Instant Video hat Amazon zwar zurückgeweisen. Der Online-Retailer hat allerdings Erfahrung mit Werbefinanzierung: Die eigenen Kindle-Fire-Tablets sind auf Wunsch mit oder ohne “Spezialangebote” erhältlich, wobei es sich um eingeblendete Werbung auf dem Startbildschirm handelt. Ohne Werbeeinblendungen ist ein Tablet 15 Euro teurer.

So beliebt wie das kleinere Übel

Auch das deutsche “Audio-YouTube” Soundcloud will es Nutzern für die Zahlung einer Monatspauschale künftig ermöglichen, Audio Ads auszublenden. Pikant: Diese Werbeform hatte Soundcloud vor wenigen Monaten erst eingeführt. Bis dahin war der Dienst generell werbefrei. Langjährige Nutzer sind entsprechend aufgebracht. Und laut YouTube-Chefin Susan Wojcicki experimentiert auch ihre Videoplattform mit einer kostenpflichtigen Option, um die nicht selten nervtötende Vorab-Werbung auf Wunsch auszuschalten. Darüber hinaus bietet YouTube mit “Fan Funding” die Möglichkeit an, Channel-Betreiber mit einem Spendenbutton finanziell zu unterstützen. Die Möglichkeit gibt es bislang allerdings erst in vier Ländern; Deutschland ist nicht dabei.

YouTube-Spendenbutton

YouTube-Spendenbutton

Schon die genannten Möglichkeiten haben eins gemeinsam: Sie sind nicht beliebt und werden höchstens als das kleinere Übel wahrgenommen. Vergleichbar sind derartige Modelle mit kostenlosen Mobile Games, die dem Spieler erst durch In-App-Käufe eine wirkliche Chance geben, in normaler Geschwindigkeit im Spiel voranzukommen. Wer das volle Programm will, muss zahlen: entweder pauschal oder für einzelne virtuelle Güter.

Auf der Content-Seite experimentieren die Kollegen der altehrwürdigen Technews-Seite Golem.de seit August mit einem ähnlichen Angebot wie Google Contributor: Bei “Golem Pur” wird einem zahlenden Nutzer für 2,50 Euro im Monat die Werbung auf Golem.de abgeschaltet. Journalist Peter Giesecke hält das Modell allerdings nicht für Erfolg versprechend, denn Leser seien heute nicht mehr so loyal gegenüber einer Online-Newsseite wie noch vor zehn Jahren. Es gebe dutzende andere Angebote, auf die er genauso gut springen könne. Durchsetzen wird sich das nie, glaubt Giesecke: “Wer bei zehn seiner Ich-schau-täglich-mal-vorbei-Angeboten 2,50 Euro im Monat zahlen würde, müsste schon mehr blechen als für die GEZ. Das wäre einfach zu viel.”

Lesern sind die wirtschaftlichen Probleme von Journalisten egal

Dass Inhalteanbieter der Idee positiv gegenüber stehen, dürfte sich beinahe von selbst verstehen. PayWalls haben nicht selten Scharen loyaler Leser erfolgreich in die Flucht geschlagen, durch den Einsatz von AdBlockern gehen Betreibern Monat für Monat stattliche Einnahmen verloren. Jede andere mögliche Einnahmequelle ist ihnen da natürlich willkommen.

Werbeblocker AdBlock Plus: Bei Betreibern verhasst, bei Nutzern beliebt.

Werbeblocker AdBlock Plus: Bei Betreibern verhasst, bei Nutzern beliebt.

Am Ende allerdings bleibt es beim altbekannten Problem: Niemand wird gerne für etwas bezahlen, was er immer kostenlos bekommen hat. Und wenn er die viele Werbung nicht mehr erträgt, hat ein Nutzer nach wie vor die Möglichkeit, woanders hinzugehen oder den AdBlocker einzuschalten. Das mag ein Pakt mit dem Teufel sein, aber es ist für den Leser schlicht der bequemere Weg – und inmitten einem Garten aus blinkenden und tönenden Anzeigen manchmal auch der einzige. Die harte Wahrheit lautet: Die Masse da draußen interessiert sich nicht für die wirtschaftlichen Nöte von Journalisten und Verlagen. Auf der Straße herrscht ein harter Kampf um die sauer verdienten 8,50 Euro pro Stunde. Und wenn ein AdBlocker dabei ein bis drei Euro billiger ist als ein Konkurrenzprodukt von Google, dann er eben eingeschaltet.

In einer Welt ohne AdBlocker ein gangbarer Weg

Zumal Google Contributor auch für Google allenfalls der drittliebste Weg ist: Der Webriese finanziert sich zu einem großen Teil durch Werbung. Contributor klingt nach dem verzweifelten Versuch, vom wegfallenden Online-Werbekuchen ein paar Krumen aufzusammeln und davon noch einen kleinen Anteil zu kassieren. Das eigentliche Problem heißt auch für Google: AdBlock Plus. Der Werbeblocker ist derart erfolgreich, dass selbst Google mit ihm kooperieren muss und es mit eigener Werbung auf das Whitelisting des Kölner Anbieters geschafft hat. Zahlen für etwas, was man sonst kostenlos bekommt: Das wird auch Google selbst nur zähneknirschend tun.

Amazon Kindle Fire: Tablet kostet 15 Euro weniger, wenn der Käufer dauerhaft Werbung über sich ergehen lässt. Bild: Amazon.

Amazon Kindle Fire: Tablet kostet 15 Euro weniger, wenn der Käufer dauerhaft Werbung über sich ergehen lässt. Bild: Amazon.

Interessant werden würde Google Contributor in einer Welt, in der es keine AdBlocker (mehr) gibt. Nicht wenige Seitenbetreiber haben es geschafft, ihre Angebote derart mit Werbung vollzukleistern, dass die Nutzer den eigentlichen Inhalt mühsam suchen müssen. Hier die Werbung abzuschalten, könnte es einigen Lesern wert sein, ein paar Euros springen zu lassen. Für einen Bezahldienst, der die pauschale Zahlung für mehrere beliebte Online-Nachrichtenseiten anbietet, würde die Zahlung noch attraktiver. Eine Lösung des Monetarisierungsproblems von Online-Content kann es allerdings nicht sein, die Nutzer erst zu belästigen und dann von ihnen dafür zu kassieren, dass man mit der Belästigung wieder aufhört. Hier ist nach wie vor kein Königsweg gefunden, aber Freemium-Projekte wie die Krautreporter und LaterPay klingen zumindest weniger aufdringlich.


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